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Florian Sernetz – über das Training mit jagdlich motivierten Hunden

08.10.2021

In diesem Interview gibt uns der Hundetrainer Florian Sernetz einen Einblick in seinen persönlichen Werdegang und sein Leben mit Hund. Darüber hinaus sprechen wir über den Alltag und das Training mit jagdlich motivierten Hunden.

Florian Sernetz – über das Training mit jagdlich motivierten Hunden

Dieser Artikel ist ein Transkript unser „Hinter den Kulissen der Hunde-Trainer:innen“-Reihe im Cleverdog Podcast. In dieser Reihe spricht Merle mit unterschiedlichen Hundetrainer:innen über ihre persönliche Geschichte, ihre eigenen Hunde, ihre Philosophie und Lieblingsthemen. In dieser Folge ist Florian Sernetz zu Gast – Florian ist Hundetrainer aus Alpen am Niederrhein und setzt bei seiner Arbeit den Fokus insbesondere auf jagdlich sehr interessierten Hunde, die aber nicht jagdlich geführt [ Einjagdlich geführter Hund, auch Jagdgebrauchshund, ist ein Hund der für jagdliche Tätigkeiten eingesetzt wird und Jäger:innen bei ihrer Arbeit unterstützt. ]werden.

Über Florian

Merle: Hallo Florian, herzlich willkommen im Cleverdog-Podcast! Schön, dass Du heute da bist.

Florian: Hallo! Danke, dass ich dabei sein darf!

Merle: In dieser Reihe interessieren wir uns ja sehr für den individuellen Werdegang auf dem Weg zum/zur Hundetrainer:in. Vielleicht magst du damit direkt mal anfangen. Wie führte dich den dein bisheriger Weg entlang?

Florian: Ja, wie bei vermutlich vielen meiner Kolleg:innen auch, bin ich bereits mit Hunden in der Familie groß geworden. Als ich als Kind dann meine erste Kamera bekam, sprach ich im Ostsee-Urlaub dauernd fremde Leute wegen ihrer Hunde an und hatte danach ein ganzes Album voll mit Fotos fremder Hunde. Vielleicht war das schon eine erste „Prophezeiung“. Während der Ausbildung war mir Hundehaltung dann nicht möglich, daher hatte ich zwischenzeitlich sogar überlegt nochmal einen Abstecher über eine Tierpfleger-Ausbildung zu machen. Aber irgendwann war es zum Glück auch beruflich möglich, einen nun ganz eigenen Hund und keinen Familienhund haben zu können.

Merle: Wie ist es dann vom ersten Interesse und Aufwachsen mit Tieren zum Wunsch, Hundetrainer zu werden, gekommen? Was da ein bestimmter Hund ausschlaggebend?

Florian: Schon als Kind habe ich oft auf die Nachbarshunde aufgepasst, teilweise sogar über zwei bis drei Wochen, während die Besitzer:innen im Urlaub waren. Aber der eigentliche Grund war dann mein Secondhand-Beagle Trixie. Als sich beruflich die Möglichkeit bot, einen Hund mit ins Büro zu nehmen, waren wir relativ schnell auf einen Beagle festgelegt. Ganz Beagle-typisch hat Trixie natürlich eine hohe jagdliche Motivation und von allen Seiten hörte ich dann, dass man da eh nichts ausrichten kann und Beagle könne man sowieso nie ableinen – solche Aussagen wecken dann direkt meinen Kampfgeist. Das kann ich dann erst recht nicht unversucht lassen.
Als Trixie dann mit etwa viereinhalb Jahren aus der Großstadt zu uns in eine eher ländliche Gegend kam, stand sie – selbst wenn kein Tier zu sehen war – auf zwei Beinen schreiend, jaulend und bellend am Feldrand und bekam sich gar nicht mehr ein. Daher sind wir dann zu mehreren Hundeschulen, aber mit den Methoden dort konnte ich mich nie so recht identifizieren. Und darauf hin habe ich mich halt selbst hinter die Thematik geklemmt. Zunächst durchs Lesen vieler Bücher und anschließend auch durch das Besuchen von Seminaren, wo ich die Trainer:innen schon im Vorhinein einschätzen konnte. Dort bekam ich oft Rückmeldungen, ich hätte eine ganz gute Beobachtungsgabe und schnelle Auffassung der behandelten Themen. Also einfach, weil ich nicht nur die Methode lernen wollte, sondern auch die Theorie dahinter. Nach eineinhalb Jahren habe ich dann meine Hundetrainer-Ausbildung angefangen. Zwar war ich schon ein Jahr früher auf das Angebot gestoßen, hatte durch einen Umzug noch etwas Bedenkzeit, was bei so einem großen Schritt ja auch nicht verkehrt ist.

Merle: Du hast erwähnt, dass du dich ganz bewusst für einen Jagdhund, und einen Beagle im Speziellen entschieden hast – warum?

Florian: Wir haben uns davor zusammengesetzt und aufgeschrieben, was uns wichtig ist: nicht zu groß, kurzhaarig, aktiv genug für verschiedenste Unternehmungen und eine relativ gesunde Rasse. Das grenzte das Feld schonmal ganz gut ein, auch der Entlebucher Sennenhund stand beispielsweise zur Auswahl. Der Beagle war dann aber letztlich für uns das bessere Gesamtpaket.

Merle: Und dass es ein Hund aus dem Tierschutz werden sollte, stand auch bereits fest, oder? Im Vorgespräch hattest du gesagt, dass du über einen Laborbeagle [ Hunde, darunter hauptsächlich Beagle, werden teils zu Forschungszwecken in Laboren gehalten und danach über spezialisierte Tierschutzvereine vermittelt.]nachgedacht hattest.

Florian: Richtig, als ersten komplett eigenen Hund wollte ich einen erwachsenen Hund. Daher haben wir dann auch einen Verein kontaktiert, der Beagle aus Tierversuchslaboren vermittelt. Die hatten eine sehr passende Kandidatin. Leider war sie ein paar Stunden vor meinem Anruf bereits vermittelt worden. Schön für die Hündin, schade für uns. Danach sind wir nochmal in uns gegangen, da diese Laborhunde ja oft sehr wenig Umweltreize kennen, wie zum Beispiel Gras unter den Pfoten und vor vielem Angst haben. Das wollten wir dann letztendlich doch keinem Hund zumuten, sich an ein neues zu Hause und direkt auch an das Büro zu gewöhnen. Etwas später stießen wir dann auf Trixie.

Merle: Trixie hat ja eine große jagdliche Leidenschaft – und du eine große Leidenschaft für jagdmotivierte Hunde. Was fasziniert dich daran?

Florian: Ich glaube es ist tatsächlich ein bisschen diese Ursprünglichkeit, wenn man an die ursprüngliche Rolle als Helfer zum Nahrungserwerb denkt. So ein unsichtbares Band. Jäger:innen haben zu ihren Hunden einfach oft so eine ganz bestimmte Connection, dass man den Hund so wahrnimmt wofür er eigentlich da ist.

Merle: Das kann ich mir gut vorstellen, auch wenn ich selbst ja keinen Jagdhund habe, sondern eher aus der Richtung der Treib- und Hütehunde komme. Daher freue ich mich auch, dass du heute hier bist, da wir ja etwas intensiver über das Thema jagdlich motivierte Hunde sprechen wollen.
Vielleicht tasten wir uns erstmal langsam ran, nämlich darüber, was ein Jagdhund eigentlich ist, was ihn ausmacht. Nicht bei jeder Rasse ist das ja gleich ersichtlich, es gibt nicht „den“ Jagdhund. Aber wie lassen sich Jagdhunde trotzdem beispielsweise von Hütehunden oder Begleithunden abgrenzen?

Das Training mit jagdlich motivierten Hunden

Florian: Je nach Hunderasse ist es tatsächlich vor allem die Unabhängigkeit. Aber so ganz grundsätzlich unterteilt man die Jagdhunderassen erstmal in zwei Gruppen. Zum einen die Rassen, die den Jäger:innen vor dem Schuss helfen, also dass man die Wildtiere überhaupt erstmal aufspürt. Meistens treiben die Hunde das Wild dann vor sich her, typische Rassevertreter sind hier die Terrier, Dackel oder auch Bracken, wie mein Beagle. Die sind erstmal nur dafür da, dass das Wild „auf die Läufe“ - also in Bewegung – kommt und im Idealfall der/dem Jäger:in vor die Linse läuft und dann Hunde die den Jäger nach dem Schuss unterstützen, das Wild suchen und apportieren.

Merle: Kannst du noch weitere Beispiele für die verschiedenen Kategorien nennen?

Florian: Wenn wir bei den Rassen für die Arbeit vor dem Schuss bleiben, wie Dackel oder Terrier - zum Beispiel Foxterrier oder Jack Russel Terrier, die teilweise auch für die Baujagd eingesetzt werden. Das bedeutet sie werden in Fuchs- oder Dachsbauten eingeschleust und dann, eventuell auch nach einem Kampf, den Fuchs oder Dachs raustreibt. Man darf nicht vergessen dass dazu beispielsweise auch Yorkshire Terrier, die gefühlt nicht mehr so wirklich Jagdhunde sind, früher tatsächlich auch zur Ratten- und Mäusejagd eingesetzt wurden und daher teilweise durch diese Anlagen immer noch ein entsprechendes Erbe tragen. Des weiteren wie erwähnt die Bracken, wo der Beagle sicherlich der bekannteste Vertreter ist. Das sind Hunde, die oft in der Meute gehalten werden, es gibt aber auch einzeln jagende Bracken. Die sind eben genau dafür gemacht, das Wild zum Laufen zu kriegen und meist auch so, dass sie das Wild nie packen sondern immer in einem entsprechenden Abstand verfolgen, damit der Jäger nicht Gefahr läuft versehentlich seinen Hund abzuschießen.

Merle: Man merkt ja schon, dass da wirklich auch ganz unterschiedliche Eigenschaften gefragt sind, auch wenn das nur eine ganz allgemeine Einteilung ist. Es würde den Rahmen sprengen, hier heute über alle Rassen einzeln zu sprechen, aber die Jagdhunderassen sind ja teilweise unglaublich spezialisiert, von der Baujagd über die Schweißarbeit bis hin zu den Vorstehhunden. Dieses „Formen“ ist nur möglich gewesen durch sehr strikte Selektion über eine lange Zeit, jedoch führen viele dieser Hunde diese Jobs heute größtenteils gar nicht mehr aus, da ihre Arbeit nicht mehr so gefragt ist, und sollen nun einfach als Familien- und Begleithunde dienen. Das bringt natürlich Herausforderungen im Alltag mit. Was wären da so klassische Hürden, die jagdlich motivierte Hunde mitbringen?

Florian: Das ist zunächst mal eine hohe Impulsivität, es ist recht einfach einen jagdlich motivierten Hund auf 180 zu bringen, aber die Kunst ist eher diese Hunde ruhig zu bekommen. Dass sie eben nicht auf jedes fallende Blatt oder jeden flatternden Vogel reagieren. Das Hochfahren können sie von alleine, das liegt ihnen im Blut. Der jagdliche Erfolg wäre ja auch überschaubar, wenn sie bei flüchtender Beute erst überlegen, ob es sich lohnt da jetzt hinterherzulaufen. Dann ist es unter Umständen schon zu spät. Und Impulskontrolle auch vor allem immer in Verbindung mit der Frustrationstoleranz, weil man sich noch so viele Gedanken über verschiedene Belohnungsformen machen kann, den Hasen werd ich aber nie als Belohnung freigeben können. Daher muss der Hund eben auch lernen, mit genau diesem Problem umzugehen.

Merle: Der Magyar Vizsla ist ja, jetzt mal als Beispiel, aktuell eine sehr beliebte Rasse. Wie würde man da exemplarisch das Grunderziehungs-Training aufbauen?

Florian: Vizsla gehören ja zu den Vorstehhunden, wie die aktuell auch recht beliebten Weimaraner und der Deutsch Kurzhaar, Deutsch Langhaar, Deutsch Drahthaar, die Setter oder auch die Pointer. Diese Hunde machen häufig einen sehr beschäftigten Eindruck und daher ist ein Hauptaugenmerk tatsächlich darauf, dass die Hunde Langeweile, Ruhe lernen und nicht permanent im Arbeitsmodus unterwegs sind. Daher würde ich von Anfang an, egal in welchem Alter der Hund zu einem konnte, erstmal viel Ruhetraining verordnen. Denn Hunde lernen grundsätzlich schlechter, wenn sie unter einer permanenten Anspannung stehen. Und dann ist natürlich wichtig dass eine Orientierung am Menschen da ist, damit Kommunikation stattfinden kann.

Merle: Wenn die Basis erstmal da ist, was gibt es dann an spezielleren Problematiken die sich dort ausbilden können? Bleiben wir beim Viszla, die hast du ja bestimmt auch öfter im Training. 

Florian: Ja, das kann man umgangssprachlich vielleicht als Hibbeligkeit beschreiben; der Hund steht viel unter Strom, ist oft am rumtippeln, schnell am fiepen. Beim Vizsla kommt auch oft eine gewisse Unsicherheit dazu, das sind nicht unbedingt immer die mutigsten Hunde. Das ist aber auf der anderen Seite wiederum schön, da sie oft sehr führerbezogen sind und sehr eng an ihrem Menschen hängen, da sind manche Jagdhunderassen ganz anders.

Merle: Das heißt, sie sind auch sehr kooperativ in ihrer Zusammenarbeit und man muss lernen, das für sich zu nutzen?

Florian: Genau. Sie bieten in der Regel schon sehr viel an, wo man als Mensch drauf zurückgreifen kann, um einen gewissen Verhaltensrahmen zu formen. Beispielsweise dieses typische Vorstehen, bei diesen Hunden reicht teilweise schon ein fallendes Blatt, oder es kann auch ein Vogel sein, dass sie entweder aufrecht oder leicht geduckt verharren, der Körper bis zum Zerbersten gespannt, eine Vorderpfote angehoben. Damit kann man ja schonmal arbeiten, denn ich sage immer „Warten ist besser als Starten“, das Vorstehen verschafft uns als Menschen einfach Zeit. Es gibt natürlich Hundetypen, die das erstmal nicht mitbringen, aber manchen kann man es trotzdem beibringen, zumindest so, dass sie Wild- oder Tierspuren anzeigen.

Merle: Wir haben schon angerissen, dass Jagdhunde für teils sehr spezielle Jobs gezüchtet wurden, diese aber heutzutage zum großen Teil nicht mehr ausüben müssen oder dürfen, weil die Besitzer:innen nicht jagdlich unterwegs sind. Was ist denn nun die richtige Beschäftigung für solche Hunde? Da gibts ja sicherlich auch ganz unterschiedliche Antworten, je nach dem jeweiligen Typ von Jagdhund.

Florian: Genau so ist es. „Die eine Auslastungs- oder Beschäftigungsform“ gibt es tatsächlich nicht. Ich gucke da gerne erstmal was der Hund typ- oder rassenspezifisch für Anlagen mitbringt. Also ob der gerne seine Nase einsetzt, oder eher auf bewegliche Sichtreize reagiert. Dabei ist mir immer wichtig, dass diese Beschäftigung in Zusammenarbeit mit dem Menschen stattfindet. Zum Beispiel nutze ich Nasenarbeit so, dass der Hund in einem Areal einen verlorenen Dummy[ Apportiertrainings-Gegenstand in verschiedenen Ausführungen] sucht und nach dem Finden seinem Menschen zurückbringt. Da ist dann wieder der Interaktionsaspekt, wenn der Dummy gegen Futter eingetauscht wird. Natürlich kann man auch einfach Futter in einen Laubhaufen reinwerfen, aber da braucht der Mensch ja nur ein Startsignal geben und ist dann eigentlich abgeschrieben. Deshalb ist mir dieser Interaktionsaspekt halt wichtig.

Merle: Viele stellen sich sicher auch die Frage, ob man dem Jagdhund eine Ersatzbeschäftigung suchen sollte, die möglichst ähnlich zum eigentlichen Jagdverhalten ist und die jeweiligen Eigenschaften unterstützt, oder ob man lieber etwas ganz anderes machen sollte. Was würdest Du dazu sagen?

Florian: Da würde ich erstmal gucken, ob der Hund tatsächlich die Rassemerkmale aufweist. Ich kenne sie nicht, aber es gibt wohl Retriever, die nicht apportieren. Beagle, die keinen Spuren nachgehen kenne ich tatsächlich, also würde ich einen Hund, der die Nase im Bezug aufs Jagdverhalten gar nicht groß einsetzt, nicht auf solche Ideen bringen wie eigenständig Spuren zu verfolgen. Mal einen Dummy zu suchen ist schon okay, aber ich würde mit so einem Hund nicht gezielt Mantrailing oder Fährtensuche machen, wo er lernt eigenständig Spuren hinterherzugehen.

Merle: Und wie sieht es zum Beispiel beim Mantrailing mit Hunden aus, die eher nicht am Boden mit der Nase suchen? Ist das dann geeignet als Freizeitbeschäftigung?

Florian: Die schon erwähnten Setter und Pointer sind ja Vorstehhunde, die aber dazu gezüchtet wurden, ein Feld in großen Kreisen mit „hoher Nase“ abzusuchen, in der Hoffnung die Witterung von beispielsweise einem Rebhuhn oder sowas zu kriegen. Die können aber auch lernen, mit tiefer Nase zu suchen. Gerade die Vorstehhunderassen werden heutzutage ja sehr allround-mäßig geführt, aber ursprünglich wurden sie für etwas anderes gemacht. Insbesondere wenn man jetzt zum Beispiel ‚nen Setter aus dem Tierschutz hat, der für genau diese Feldarbeit gedacht war und möglicherweise sogar schon jagdlich eingesetzt wurde, kann das Umlernen anfangs erstmal sehr frustrierend für den Hund sein.

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Merle: Jetzt haben wir schon viel über die Hunde geredet und wie wichtig du es findest, dass auch bei weniger kooperativen Jagdhunderassen den Menschen stark miteinzubeziehen. Da frage ich mich dann immer, was muss ein Mensch an Eigenschaften mitbringen, der sich einen jagdlich motivierten Hund anschafft? Über sowas wird sich, glaube ich zumindest, häufig recht wenig Gedanken gemacht. Da wäre ja ein klassisches Beispiel der Dackel, bei dem man schnell mal vergisst was eigentlich drinsteckt, oder eben ein Jack-Russell-Terrier. 

Florian: Wenn wir mal davon ausgehen, dass der Mensch diese Entscheidung für einen jagdlich motivierten Hund bewusst trifft, ist meiner Meinung nach viel Geduld am Wichtigsten. Man sagt, entweder lernt man Geduld, weil man am Waldrand steht und auf seinen Hund wartet, bis dieser sich irgendwann erbarmt wieder zurück zu kommen oder man bringt genau diese Geduld und das Aushalten dem Hund bei. Diese relativ unspektakulären Aspekte des Trainings wie Ruhetraining, wo erstmal kaum was passiert, die vorher schon besprochenen Dinge, wie Impulskontrolle und Frustrationstoleranz zu schulen, das sind erstmal die wichtigsten Grundpfeiler. Die Menschen sollten außerdem natürlich Verständnis mitbringen für das genetische Erbe ihrer Hunde, die da nichts dafür können. Und immer ein Augenzwinkern mitbringen, das ist, denke ich, auch eine ganz wichtige Fähigkeit.

Merle: Und sicher auch die Lust am Arbeiten mit dem eigenen Hund. Es wäre falsch, wenn man den Hund zum regelmäßigen Joggen mit in den Wald nehmen möchte, aber nicht bereit dazu ist, an dessen Jagdverhalten zu arbeiten. Sowas kann sehr schnell in die Hose gehen.

Florian: Ja, das ist halt eine typische Diskrepanz der Ansprüche und Vorstellungen die ich zu dem Hund habe, die nicht wirklich konform gehen. Dem sollte man sich also entsprechend bewusst sein.

Fragen aus der Community

Wo und Wie kann man deine Trainings-Hilfe in Anspruch nehmen?

Florian: Corona-bedingt ist es tatsächlich erstmal deutschlandweit als Online-Training möglich. Da gucke ich mir in der Regel vorab Videos an und lasse mir einen Anamnesebogen ausfüllen, anschließend machen wir einen gemeinsamen Videocall und besprechen die Thematiken online, von Angesicht zu Angesicht, oder machen vielleicht sogar eine Übung am Bildschirm, und falls nötig auch weiteren regelmäßigen Austausch über Videos, die ich dann analysiere. Die andere Möglichkeit ist natürlich, gemeinsam mit mir zu trainieren, eben in Alpen am Niederrhein in Nordrhein-Westfalen.

Wo und wie bildest du dich fort, insbesondere zum Thema Jagdhunde, und worüber möchtest du gerne noch mehr lernen?

Florian: Grundsätzlich sind das erstmal Bücher. Das kennen sicherlich viele Hundemenschen, dass dieser Stapel von zwei bis sechs Büchern irgendwie nie kleiner wird und man nicht hinterherkommt. Ansonsten gibt es nicht eine spezielle Institution, an der ich mich ausschließlich fortbilde, da ich ein Freund von Methodenoffenheit bin. Ich glaube nicht, dass es nur den einen Weg für die ganzen verschiedenen Mensch-Hund-Teams gibt, also bin ich bei verschiedenen Dozent:innen und mache da Seminare oder Praxis-Wochenenden. Anfang des Jahres habe ich mal zwei Tage einen Schulterblick in einem Projekt mit schwer viermittelbaren Hunden gemacht, das war mal was ganz anderes. Sehr spannend und aufschlussreich. In Zukunft möchte ich gerne mehr in die Thematik rund um unsichere und ängstliche Hunde einsteigen, da viele jagdlich motivierte Hunde ja auch aus dem Ausland, gerade Südeuropa, kommen und die bringen dann, neben der Jagd-Thematik, je nach Vergangenheit zum Teil wirklich starke Unsicherheiten und Ängste mit. Es ist mir ein großes Anliegen, diesen Hunden erstmal in ihr neues Leben, ihren Alltag zu helfen, bevor man eventuell weitere Baustellen angeht.

Welchen Tipp hast du, wenn Hunde beim Anblick von Wild ungewollt losrennen?

Florian: Einen ganz Simplen: eine Hundeleine! Das ist natürlich erstmal nur ein Notfall-Pflaster, aber sobald ein Hund bei Wild-Anblick oder -Witterung abgeht gehört da eine Leine dran. Sowohl zum Schutz des Wildes, als auch des Hundes und der weiteren Umgebung. Als nächstes sollte man sich entweder selbst oder mit Trainer:innen, die sich entsprechend mit diesen Hunden auskennen, hinsetzen und einen Trainingsplan entwerfen. Der auch aus dem schon erwähnten Ruhe- und Gelassenheits-Training, eventuell ner alternativen Auslastung, aber auch anteilig aus Gehorsamkeit-Training besteht.

Merle: Du hast ja eingangs erzählt, dass dir selbst zugetragen wurde, Beagle könne man niemals von der Leine lassen. Aber heute kannst Du deinen Hund schon auch ab und zu ableinen, oder?

Florian: Ja genau. Es ist nicht unmöglich, wir haben erst heute wieder eine gute Stunde komplett leinenlos im Wald gedreht. Man darf sich natürlich nicht der Illusion hingeben, dass ich da irgendwie am Handy rumdaddelnd oder quatschend oder telefonierend daherlaufe, ich muss da schon ein Auge auf den Hund haben. Genauso wichtig ist es jedoch, nicht selber zu so einem übermäßigen Kontroletti zu werden, denn das merken die Hunde ganz schnell. Auch weil man sagt, man solle das Wild vor dem Hund bemerken - Hunde haben, was das angeht, deutlich bessere Sinne als wir und wenn der Mensch dann gespannt wie ein Flitzebogen durch den Wald läuft, ständig 360° am Scannen ist, vermitteln wir unserem Hund Unruhe. Der Hund könnte das auch schnell als Futtersuche interpretieren, bei der er dann gerne behilflich ist.

Merle: Das kenne ich von Tardis, die zwar nicht die größten Jagdambitionen mitbringt, aber desto mehr ich zum Beispiel nach anderen Hunde Ausschau halte, umso nervöser wird sie. Das ist dann sicherlich ziemlich kontraproduktiv, wenn man versucht, schneller zu sein als der Hund, denn das schafft man ja letztendlich sowieso nicht.

Florian: Genau richtig, das ist dann auch das Stichwort Stimmungsübertragung. Ist das gleiche, wie wenn Wild in Sichtweite kommt und ich dann auf einmal anfange rumzufuchteln oder hysterisch oder hektisch werde. Woher soll der Hund da lernen, dass er sich bei Wildsichtung nicht aufregen braucht. Von einem aufgeregten, unsouveränen Menschen lernt er das in dem Fall nicht und deshalb ist auch das Runterfahren und gelassen machen der Menschen Teil meiner Arbeit als Trainer.

Merle: Das kenne ich auch von mir selbst, dass der Mensch dadurch letztlich einen sehr großen Anteil am Gelingen hat, das Zünglein an der Waage. Hundetraining ist doch eigentlich auch Menschentraining.

Florian: Ja, das kann ich genau so unterschreiben-

Ist es ratsam, mit sehr aufgeregten Hunden immerzu die gleiche Gassi-Runde zu gehen, damit der Hund zur Ruhe kommt?

Florian: Der Ansatz gefällt mir sehr gut. Ich sehe oft Hunde, die im Wald ein Stressproblem haben zwischen den ganzen Gerüchen und Geräuschen. Trotzdem wird mit solchen Hunden oft zwei bis drei Stunden täglich im Wald spazieren gegangen. Da kann es Sinn machen, dass man mit diesen Hunden nur am Anfang der Woche ein oder zweimal in solchen Gegenden spazieren läuft und den Rest der Woche wirklich langweilige Runden zu wählen, damit der Hormonpegel sich wieder regulieren kann. Die Stresshormone darf man in diesem Kontext wirklich nicht vergessen, es gibt welche die drei bis sechs Tage brauchen, um wieder abgebaut zu werden. Und wenn dieser Hormonspiegel sich nie erholen kann, weil der Hund alle zwei Tage im Wald nach zehn Minuten direkt wieder gestresst ist, hat der Hund halt allein dadurch permanent ein sehr hohes Erregungsniveau. Und ein weiterer Tipp bezieht sich auf das „mit dem Hund eine Runde laufen“ - ich weiß gar nicht wo das herkommt, aber wir Menschen neigen immer dazu Runden laufen zu wollen. Und wenn den Hund jetzt Wald, Maisfelder oder was auch immer völlig in Rage bringen laufe ich einfach 800 Meter in die eine Richtung, drehe um und gehe den selben Weg zurück. So bin ich zwar nach wie vor in der aufregenden Umgebung, aber der Hund hat die ganzen Reize am Wegesrand schon auf dem Hinweg kennenlernen können. Und hat so beim nächsten Mal gar nicht mehr diese hohe Erwartungshaltung.

Unter welchen Umständen eignet sich ein Jagdhund als Famlienhund, welche Rassen sind mehr oder weniger zu empfehlen?

Florian: Zunächst steht da die Frage, welche Attribute für mich einen Familienhund ausmachen. Möchte ich einen Hund der sich quasi wie von selbst erzieht? Da muss ich direkt sagen, es gibt kaum Hunde die das machen. Oder muss der Hund besonders umgänglich mit Kindern sein? Da wären ein prominentes Beispiel die Retriever, wie der Labrador Retriever und der Golden Retriever. Die hat man als Jagdhunde auch nicht mehr so auf dem Schirm, wurden aber für Arbeiten nach dem Schuss gezüchtet um erlegtes Wild - wie Kaninchen, Hasen, Enten - zu apportieren.

Merle: Und daher auch teils recht eigenständig, was man schnell vergisst. Vor allem Golden Retriever kenne ich einige in meinem Umfeld, die, wenn das Gartentor mal offen steht, gern allein auf Tour gehen.

Florian: Ja, dieser Stempel des perfekten Familienhundes haftet Retrievern halt schon sehr an. Es sind ja grundsätzlich auch Hunde, die sehr eng und gerne mit ihrem Menschen zusammenarbeiten, und auch diesen sogenannten „will to please“ haben, also irgendwie so einen inneren Antrieb, ihren Menschen gefallen zu wollen. Aber auch abseits der Retriever kenne ich viele Vertreter anderer Jagdhunderassen, die ganz unkompliziert in ihrer Familie leben. Aber zum Beispiel unter den Terriern gibt es Hunde, die ein Thema mit Ressourcenverteidigung haben. Oder andere Rassen, die wiederum Möglichkeiten nutzen um eigenständig auf die Jagd zu gehen oder eine gewisse Wildschärfe mitbringen, die also das Reh nicht nur hetzen sondern auch packen und töten würden.

Merle: Das Ressourcen-Thema kann ja gerade im Umgang mit Kleinkindern sehr problematisch werden. Welche Rassen sind, deiner Erfahrung nach, am ehesten dafür prädestiniert? 

Florian: Tatsächlich die Terrier, teilweise – subjektiv – vielleicht auch einzelne Dackel. Theoretisch aber auch bei anderen Rassen, da kenne ich zum Beispiel einen Labrador der sonst total führig ist, aber bei Futter keine Gefangenen macht.

Was würdest Du jemandem sagen, der sich einen Dackel zulegen möchte und sich über dessen Jagdtrieb beschwert?

Florian: Zunächst mal eine Gegenfrage: warum ist es ein Dackel geworden? Im Idealfall wäre da die Antwort, dass er wegen der Eigenständigkeit gepaart mit einer körperlichen sowie mentalen Ausdauer ausgesucht wurde. Die schlechte Antwort würde „aufgrund der Optik“ lauten. Da geht dann natürlich meine Arbeit schon los, indem ich die Leute aufkläre, warum es diese Rasse gibt, für welche Jobs sie bestimmt war und Mensch und Hund so auf ein Level bringe, dass die Bedürfnisse erfüllt werden und beide ein gutes Team werden. Verständnis ist mir da ganz wichtig, auch dass der Hund merkt der Mensch macht nicht einfach immer nur die Leine dran, sondern wir erleben auch tolle Sachen gemeinsam.

Merle: Wenn Leute schon den Schritt zu dir ins Training geschafft haben, haben sie sich ja zwangsläufig mindestens ansatzweise mit dem Thema auseinandergesetzt, statt das Problem einfach auszusitzen, das ist ja schon mal gut. Natürlich wäre es besser, sich im Vorhinein intensiv mit den Rassen und ihren jeweiligen Herausforderungen zu beschäftigen – nicht nur für den Hund, sondern auch für einen selbst, das kann sonst schnell zu Frustration führen.

Florian: Da habe ich auch noch ein Anliegen, wenn man über einen Hund, ganz unabhängig von der Rasse, nachdenkt. Da sind die ersten Anlaufstellen dann häufig Züchter-Websites, Facebook-Gruppen, oder wie bei mir damals ein Rasse-Treffen mit Beagle-Besitzer:innen. Die Leute dort sind natürlich ihren Hunden, ihrer Rasse sehr verfallen. Das meine ich gar nicht negativ, aber ich würde auch da fragen, welche „Nachteile“ die Rasse hat. Denn es gibt immer Eigenschaften, die vielleicht nicht zum Leben in einer Stadtwohnung, aber wohl zu einem einsamen Bauernhof passen. Da würde ich wirklich auf vernünftige Antworten warten, jede Rasse hat einfach irgendwelche „Nachteile“.

Merle: Genau, da ist dann die Frage ob die totalen Rasseliebhaber immer die besten Ansprechpartner diesbezüglich sind, das liegt mir auch sehr am Herzen. Leute haben unterschiedliche Leben und unterschiedliche Vorstellungen des perfekten Hundes und demnach verschiedene Ansprüche. Da sollte man sich verschiedene Meinungen einholen und versuchen sich auch eher neutral zu informieren und eben nicht nur nach der Optik gehen, wie es vielen Jagdhunderassen widerfährt. 

Trainierst Du auch Nicht-Jagdhunde?

Florian: Ja klar. Da möchte ich auch nochmal auf die unterschiedliche Begrifflichkeit von Jagdhund und jagdlich motivierter Hund hinweisen. Es gibt viele Hunde die keiner Jagdhunde-Rasse angehören, aber trotzdem eine solche Motivation zeigen. Auch die Hütehunde - allen voran Australian Shepherd und Border Collie -, da darf man nicht vergessen dass Hüteverhalten eine modifizierte Form des Jagdverhaltens darstellt mit diesen Sequenzen des Anschleichens und Fixierens, was ja aus dem jagdeichen Repertoire ist. Daher kreuzen solche Hunde auch mit einer gewissen Regelmäßigkeit im Training auf. Aktuell habe ich tatsächlich vom Chihuahua bis zum Kangal alles mögliche im Training.

Schauen sich Hunde, die sich gut kennen, untereinander richtiges Verhalten ab?

Florian: Die Chance ist sehr groß. Es ist aber immer die Frage, ob es das aus menschlicher Sicht richtige Verhalten ist. Unsere Hunde haben ja keine Moralvorstellung von richtig und falsch, die können sich auch gegenseitig Mist beibringen. Wenn in der Gassi-Gruppe einem Hund Wild eigentlich egal ist, zwei andere aber regelmäßig den Wald auf links drehen, dann könnte der zuvor nicht jagdlich ambitionierte Hund tatsächlich irgendwann auf den Geschmack kommen. Aus menschlicher Sicht wäre das natürlich nicht das richtige Verhalten.

Mein Hund ist bei Kaninchen- oder Rehsichtungen absolut nicht ansprechbar, Lob fürs Anzeigen bringt nichts. Impulskontrolle klappt aber sonst ziemlich gut, mit Ball und Co. Was hast Du da für Ansätze, wenn die Ansprechbarkeit einfach nicht gegeben ist?

Florian: Zur Erklärung als erstes zur oft beschworenen Impulskontrolle, welche die Hunde kontextbezogen lernen. Also nur weil ich ihn am Ball perfekt zurückrufen, stoppen oder abbrechen kann, heißt das nicht dass es auch am Kaninchen klappt. Dann würde ich mir erstmal angucken was für ein Auslastungs-Programm der Hund hat. Und dann erstmal mit kleinen Sachen anfangen, zum Beispiel beim Spazieren die Schleppleine dran und den Hund loben, wenn er stehen bleibt oder mich mal anguckt. Das ist dann wieder dieses „Warten ist besser als Starten“, daraus kann ich dann halt besser eine Anzeige basteln. Aber grundsätzlich ist das alles eine sehr individuelle Sache, bei der man das Mensch-Hund-Team in Gänze betrachten muss inklusive weiterer Lebensumstände, um sich möglicher Stressoren bewusst zu werden, möglicherweise auch ganz außerhalb des jagdlichen Kontexts.

Merle: Das sind ja manchmal tatsächlich Kleinigkeiten, wenn man sich da schwer tut das selbst zu erkennen kann man ruhig mal jemand Zweites drüber gucken lassen, bevor man lange rumdoktert.

Florian: Ja, selber finde ich das auch immer interessant, wenn mich Leute mal von außen beobachten. Ich lasse mich auch regelmäßig filmen, um meine Körpersrprache anzugucken. Wo ich dann manchmal die Hände über dem Kopf zusammenschlage, weil ich mich wieder halb über den Hund gebeugt habe oder so. Und auch das Thema Stimmung des Menschen, was Du angesprochen hattest, wenn alle Kommunikation und Kommandos nur noch missmutig erfolgen oder man nur noch am meckern ist. Manche Hunde suchen da erst recht das Weite.

Wie kann ich selbst, als Halter oder Halterin eines jagdlich motivierten Hundes, lernen, meinem Hund zu vertrauen?

Florian: Wenn man mit dem Gedanken spazieren geht, dass bestimmt gleich sowas passiert, kann das wie eine selbsterfüllende Prophezeiung wirken. Das hört sich natürlich sehr esoterisch an, aber es ist schon so, dass meine Grundeinstellung, die ja mit Anspannung oder Unsicherheit einhergeht, vom Hund bemerkt wird. Wenn man schon viel trainiert hat, die Signale sind sicher abrufbar, der Hund hat eine gut ausgebildete Impulskontrolle, dann bin ich ein großer Fan zum Beispiel zunächst erstmal die Schleppleine hinterherschleifen zu lassen. Das macht schon ganz viel mit den Leuten, die dann immer noch etwas krampfhaft daran festhalten. Oder eben auf Streckenabschnitten, wo ich weiß, dass dort wenig Wild vorkommt, mal für zwei Minuten oder auch ne halbe Minute die Leine abzumachen und dann mutiger werden, wenn der Hund da konzentriert bleibt. Als zusätzliche Sicherheit gibt es zum Beispiel ja auch noch GPS-Tracker, damit ich den Hund im blödesten Fall orten könnte. Denn ne Schleppleine kann sich ja auch mal irgendwo verfangen wenn der Hund damit abhaut, gerade wenn hinten eine Schlaufe dran ist, daher finde ich es nicht so gut die mit super langen Schleppleinen laufen zu lassen. Ich habe auch selber so einen Tracker, den ich zum Glück jahrelang schon nicht mehr brauche, aber immer noch dran habe, weil ich auch merke was mir das für ein Sicherheitsgefühl gibt. Aber wenn ich das Gefühl habe, dass heute nicht mein Tag oder irgendwas im Argen ist, da bleibt die Leine dran! Als Menschen neigen wir teils zu gnadenloser Selbstüberschätzung; ich habe Trixie auch mal gerufen, sie kam und wurde kurz belohnt und mein Mann sagte noch, wir sollten sie besser an die Leine nehmen. Genau in dem Moment startete sie auch durch und war schon auf dem Wildwechsel drauf, das war eines dieser drei Male wo sie tatsächlich mal für knappe zwanzig Minuten abgegangen ist.

Merle: Ich glaube es gibt doch auch viele Menschen, die sich selbst und ihren Hund sogar eher unterschätzen, da zähle ich auch manchmal dazu. Ich habe dann Sorge, dass mein Hund in Wild, oder aber noch eher in andere Hunde reinrennt, was ich für sehr unhöflich halte und tunlichst vermeiden will. Und eine Trainerin sagte mir dann, dass es auch wichtig ist, trotz der Rücksicht sich selbst auch die Chance zu geben, positive Erfahrungen sammeln zu können und das bei zu viel Vorsicht schwierig ist eben dieses Vertrauen zu gewinnen.

Florian: Ja, gerade für den Hund. Die Einstellung ist ja absolut löblich. Aber es wäre für den Hund ja geradezu tierschutzwidrig, wenn er sein Leben lang nur an der kurzen Leine läuft. Da gibt es ja genug Möglichkeiten das zu ermöglichen, von Schleppleine bis zur Hundeschule, wo man nachfragen kann ob man den eingezäunten Platz mal benutzen könnte damit der Hund sich mal ausrennen kann. Ich find da hat jeder Hund nen Recht drauf.

Merle: Ja, definitiv. Und nicht jeder hat halt nen großen Garten und wenn man selbst so Angst hat, kann man da vielleicht auch mal Hilfe zur Seite holen, um sich selbst und dem Hund die Sache etwas zu erleichtern.
Ja, lieber Florian. Wir kommen nun auch langsam zum Ende dieser Folge. Das war wirklich ein sehr spannender Einblick in das Thema jagdlich motivierte Hunde. Vieles haben wir hier sicher nur angerissen, aber danke dafür, dass Du dich vorgestellt hast und uns ein paar Fragen beantwortet hast.

Florian: Sehr gerne! Mein Kopf raucht auch schon etwas, aber auf eine mir sehr wichtige Sache möchte ich noch zu sprechen kommen:

Wenn Leute irgendeine Rasse, die mal für eine bestimmte Arbeit gezüchtet wurde, haben und sagen, dass die unbedingt ausgelastet werden müssen – Ja, diese Hunde, beziehungsweise deren Vorfahren, hatten mal einen Job. Was aber nicht bedeutet, dass diese 24/7, 365 Tage im Jahr Beschäftigung brauchen. Das ist zwar gut gemeint und ich erlebe das sehr häufig, aber diese Hunde haben fast schon einen Stundenplan mit montags Rettungshundearbeit, dienstags Dummytraining, mittwochs mit der Männergruppe Fahrradfahren, donnerstags ist dann noch Zielobjektsuche und freitags ‚ne Runde Ballspielen. Diesem Druck darf man sich nicht hingeben; die Hunde, die ihre ursprünglichen Jobs noch ausführen, arbeiten nie fünf oder sechs Tage die Woche und dann stundenlang in ihren Jobs, sondern kleine, relativ ausgewählte Einsätze. Bei jagdlich geführten Hunden gibt es ja auch komplett jagdfreie Zeiten in denen zwar mit den Hunden trainiert wird um die Fähigkeiten zu erhalten, aber nicht echt auf die Jagd gegangen wird. Dass die Leute sich unter so einem Druck wähnen, erlebe ich oft womit auch das Problem kommt, dass die Hunde dauernd eine extrem hohe Erwartungshaltung mitbringen, auch auf den normalen Spaziergängen. Und das ist ja eigentlich das Gegenteil von einem entspannten Spaziergang, von dem, was wir wollen.

Merle: Schön, dass Du dieses wichtige Thema nochmal ansprichst. Gerade bei Hunden wie beispielsweise Australian Shepherd, oder ich kenne es auch vom Appenzeller Sennenhund, dass die Hunde zu Hyperaktivität neigen. Da ist Ruhe dann das absolute A und O und es lohnt sich, aus meiner Erfahrung, meist eher zwei Gänge zurückzuschalten, als immer noch mehr zu machen. Man wird sehen, dass die Hunde entspannter sind, obwohl es natürlich auch die unterforderten Hunde gibt. Aber mir sind die tatsächlich nicht so häufig untergekommen wie die, die deutlich an oder über ihrem Auslastungslimit waren und dringend Ruhe brauchen.

Florian: Das seh’ ich genauso. Oft ist es zu viel. Als Hundehalter:in wird einem aber auch suggeriert – zum Beispiel durch die Heimtierindustrie – meinem Hund hunderte Möglichkeiten anbieten zu können oder sollen. Und Kommentare, dass man solche Hunde ja auslasten müsse. Da kommt man ganz schnell in einen Teufelskreis. Wenn man da raus kommen will, sollte man nicht direkt von hundert auf null herunterfahren sondern das etappenweise gestalten. Tatsächlich mal drei Wochen nur ein bis eineinhalb Stunden insgesamt täglich spazieren gehen ohne großes Entertainment, keine großen Ausflüge. Bei manchen Hunden nimmt man so tatsächlich schon eine Veränderung wahr, die haben eine entspanntere Grundhaltung. Und entspannte Hunde gehen häufig auch etwas gelassener mit Wildreizen um.

Merle: Das auch so dieses Spiel zwischen Anspannung und Entspannung, Auslastung und Ruhe. Wir haben auch irgendwann angefangen einen Ruhetag einzulegen wo außer kleinen Runden nichts passiert, und das tut Tardis unglaublich gut.

Florian: Wir machen das tatsächlich auch regelmäßig, so alle ein bis zwei Wochen ist einen Tag nur das Nötigste dran. Das tut auch uns Menschen gut, sich da dann nicht so viele Gedanken drum zu machen. Wir Menschen haben ja auch noch ein Leben neben dem Hund.

Merle: Das stimmt! Für uns zwei, die sich neben ihrem Hauptjob in ihrem Nebenjob intensiv mit dem Thema Hund auseinandersetzen, ist das vielleicht nicht mehr ganz nachzuvollziehen, aber du hast selbstverständlich recht. Florian, ich danke dir nochmal, dass du hier im Podcast zu Gast warst und wir dich kennenlernen durften!

Florian: Sehr gerne! Mir hat es sehr viel Spaß gemacht und ich hab mich sehr gefreut, dabei sein zu dürfen.

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