Kastration beim Hund (Teil 5) – Nebenwirkungen
Über 10 Millionen Hunde leben in deutschen Haushalten. Eine Frage haben all diese Hundehalter und Hundehalterinnen gemein: „Soll ich meinen Hund kastrieren lassen?“. Die Kastration beim Hund ist ein Thema das jeden Hundemenschen angeht – sprechen wir also drüber! Dieser Artikel ist der fünfte Teil unser Artikel-Reihe zum Thema Kastration. Er setzt sich mit möglichen Nebenwirkungen einer Kastration auseinander.
Im 4. Teil zum Thema Kastration habe ich bereits darüber berichtet inwiefern sich eine Frühkastration, also eine Kastration die vor dem Erreichen der Geschlechtsreife vorgenommen wird, negativ auf die Entwicklung von Rüde und Hündin auswirken kann. Doch welche Nebenwirkungen können auch darüber hinaus durch eine Kastration hervorgerufen werden?
Inkontinenz durch Kastration beim Hund
Unabhängig vom Alter des Hundes bei der Kastration, kann eine Kastration noch weitere Folgen für den Hund haben. Eine häufige Nebenwirkung, vor allem bei Hündinnen, ist die Harninkontinenz. Die Schließmuskeln der Harnröhre sind nicht mehr in der Lage den Harnfluss ausreichend zu kontrollieren und so kann es zu einer unkontrollierten Urinabgabe kommen.
Unterschiedliche Studien aus Veterinärmedizin und Verhaltensbiologie zeigen, dass das Risiko einer Inkontinenz bei einer Frühkastration geringer ist als bei spät kastrierten Hunden. Wenn früh kastrierte Hunde dennoch inkontinent werden, verlieren sie den Urin häufiger auch im Wachzustand und dies mehrmals am Tag.
Während kleinere Rassen unter 20 kg seltener von Harninkontinenz betroffen sind, sind größere Rassen im allgemeinen und im speziellen Hündinnen großer Rassen wie Boxer, Dobermann, Riesenschnauzer bis zu zwei Drittel häufiger betroffen.
Welche Faktoren zur Inkontinenz führen ist noch nicht vollständig geklärt. Diskutiert wird die Erhöhung der Hormone FSH und LH. In der Harnröhre befinden sich Bindungsstellen, an die FSH und LH binden können. Nach einer Kastration fällt die negative Rückkopplung durch den Wegfall der Sexualhormone weg und es kommt somit zu einer Erhöhung von FSH und LH im Organismus. Diese Erhöhung könnte das vermehrte Ansprechen der Rezeptoren in der Harnröhre zur Folge haben und so eventuell eine Inkontinenz fördern. Aber dies wird zur Zeit lediglich diskutiert. Studien die diesen Zusammenhang bestätigen gibt es derzeit noch nicht.
Mehr über die Sexualhormone und ihre Steuerung erfährst du in folgenden Artikeln:
Stoffwechselveränderungen und Übergewicht durch Kastration beim Hund
Die Kastration wirkt sich auch auf den Stoffwechsel aus. Weder negativ, noch positiv, aber es gibt eine Veränderung und die sollte man im Blick haben. Durch die Kastration verringert sich der Grundstoffwechsel des Hundes. Das heißt, er benötigt weniger Energie als ein intakter Hund. Zusätzlich haben die Sexualhormone eine appetitzügelnde Wirkung, was zur folgenden Problematik führen kann. Ein kastrierter Hund braucht weniger Energie, hat zeitgleich aber mehr Appetit. An dieser Stelle ist wichtig zu erwähnen, dass diese Problematik nicht einfach dadurch zu lösen ist, dass man dem Hund weniger Futter zur Verfügung stellt, da so die Gefahr von Mangelerscheinungen besteht. Daher ist es ratsam sich hierfür tierärztliche Hilfe oder eine fachkundige und auf Hunde spezialisierten Ernährungsberatung zu suchen.
Hat man die Veränderungen auf den Stoffwechsel nicht im Blick und füttert normal weiter, kann es zu Übergewicht beim Hund kommen. Übergewicht kann wiederum zu Folgeerkrankungen wie zum Beispiel Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Gefäßerkrankungen oder Gelenkserkrankungen führen.
Fellveränderungen und Kastration beim Hund
Nach einer Kastration kann sich auch das Fell des Hundes verändern. So neigen kastrierte Hündinnen zum Beispiel zu einer erhöhten Produktion von Unterwolle. Insbesondere bei den Rassen Irish Setter, Cocker Spaniel und Langhaardackel ist dies zu beobachten.
Bei Rüden lässt sich nach Kastrationsereignissen vermehrt stumpferes Fell beobachten, was damit begründet wird, dass Testosteron an der Steuerungsfunktion der Talgdrüsen beteiligt ist.
Sowohl bei der Hündin als auch beim Rüden kann es durch die Kastration zu symmetrischen Haarausfall im Bereich der Flanken und des hinteren Rumpfes kommen.
Krebs und Kastration beim Hund
Die Veränderungen auf den Hormonhaushalt, die durch eine Kastration hervorgerufen werden, haben auch Auswirkungen auf die Tumorentstehung. So kann das Risiko an bestimmten Krebsarten zu erkranken nach der Kastration sinken oder steigen. In den letzten Jahren wurde hierzu weltweit einiges an Forschung betrieben, bei der unterschiedliche Rassen und Altersgruppen betrachtet wurden.
Nicht selten verbinden Hundehalter:innen eine Kastration mit einer Senkung des Krebsrisikos – insbesondere bei Hündinnen und meist im Bezug auf Gesäugetumore. Dabei ist vielen Hundehalter:innen jedoch gar nicht bewusst, dass durch eine Kastration das Risiko an anderen Krebsarten zu erkranken, steigen kann. Zum Thema Mammatumore findest du mehr im 2. Artikel unser Kastrationsreihe.
Hierfür einige Beispiele:
- Bei kastrierten Rüden wird angenommen, dass das Risiko der Entstehung von Prostatatumoren steigt.
- Bei Hündinnen scheint nach einer Kastration das Risiko an Perianaltumoren zu erkranken erhöht zu sein, während es bei Rüden sinkt.
- Bei beiden Geschlechtern wurde beobachtet, dass das Risiko der Bildung von Milz-, Knochen- und Herztumoren zunimmt. Dabei steigt die Wahrscheinlichkeit an einem Knochentumor zu erkranken je jünger der Hund zum Zeitpunkt der Kastration ist.
Fazit
Die in diesem Artikel aufgelisteten Nebenwirkungen sind nur ein Ausschnitt. Die Auswirkungen, die eine Kastration auf den Hundekörper haben kann sind sehr vielseitig, betreffen unterschiedliche Organsysteme und werden mitunter von weiteren Faktoren wie Geschlecht, Alter und Rasse beeinflusst. Daher ist es ratsam sich vor einer Kastrationsentscheidung ausführlich über mögliche Nebenwirkungen zu informieren und diese in die individuelle Entscheidungsfindung miteinzubeziehen.
Mehr Infos rund um die Kastration beim Hund findest du in folgenden Artikeln:
Quellen & weitere Links zum Thema
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Jennifer Schmitz
Jenny ist Biologin und widmet sich in der AG Mammalia der Verhaltensbiologie des Hundes. Ihren M.Sc. schloss sie mit einer Arbeit zum Thema „Kastration und Verhalten beim Hund“ ab. Neben ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit ist sie als Hundetrainerin tätig.
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